Samstag, 19. Mai 2018 / Hazas – Noja (21,5 km, GPS Route)
Ein Hoch auf Ohrstöpsel! Wie sollte man sonst die Nächte in Pilgerherbergen überstehen? Als ich mir meine am Morgen aus den Ohren pule, staune ich nicht schlecht, wieviel Lärm manch schnarchender Pilger von sich gibt.
Dann folgt die tägliche Routine: Rucksack packen, kleines Frühstück (dieses Mal das selbst eingekaufte), Füße eincremen, Schuhe schnüren und los. Der Weg ist zwar ausgeschildert, ergibt aber zuerst keinen Sinn, denn er führt zurück zur Straße nahe der Herberge. Egal, das wird nicht der einzige Umweg bleiben. Ich hatte mir den Nordküstenweg u.a. ausgesucht, weil ich „hügelige“ Landschaft mag. Trotz dem wirken manche Abschnitte fast wie eine kleine Schikane, wenn man an einer Kreuzung steht, auf Google Maps den ausgeschilderten Pilgerweg mit den örtlichen Gegebenheiten vergleicht und sieht, dass ersterer in ein tiefes Tal und kurz danach wieder hoch an die Straße gegenüber führt. Da ist die Verlockung groß, einfach der Straße zu folgen. Doch irgend einen Sinn muss es ja haben, dass die gelben Pfeile woanders hin zeigen. Also gehe ich brav hinab und bereue es nicht, auch wenn es wieder mal schweißtreibend wird. 
Der Weg ist so viel schöner als die Straße und bietet kleine Überraschungen und Entdeckungen, die den Umweg rechtfertigen. Ich begegne einem wunderschönen Pferdchen, das „einhorngleich“ im Morgenlicht hinter einem Baum stehend zu mir schaut. Dann treffe ich niedliche Katzen und freundliche Menschen. Ach, für Freunde sakraler Bauten findet sich hier natürlich eine sehr alte, aber scheinbar nicht mehr als solche genutzte, Kapelle.
Irgendwann erreiche ich eine große Straßenkreuzung, von der aus ich in der Ferne das Meer und die Stadt Laredo sehen kann. Sehr weit oberhalb der Stadt hat man von hier einen grandiosen Blick über die Bucht und den riesigen sichelförmigen 4 km langen Strand. Doch man sieht auch, wie sehr die Bucht mit Hotels zugebaut ist.

So trotte ich die Straße hinunter. Es zieht sich. Irgendwann geht von der Serpentinenstraße weg eine Treppe in die Stadt, vorbei am Nonnenkloster, in dem sich eine Pilgerherberge befindet.
Laterne in Laredo
Altes Haus in Laredo
Laut meinem Pilgerbuch müsste ich nun weiter durchs Industriegebiet, um dann entlang der Flussmündung in einem Dreieck zum Ende der Bucht zu gelangen, von wo die Fähre nach Santona übersetzt. Mir will nicht ganz in den Kopf, warum die Wegführung so beschrieben ist, wenn der Kopf in Verbindung mit der Karte mich instinktiv die Strandpromenade ansteuern lässt. Nach einem kurzen Abstecher in einem Supermarkt, wo ich mir eine Packung Mispeln kaufe, gehe ich tatsächlich meiner Nase nach zum Strand und sehe, dass dort offizielle Pilgerwegweiser sind. Auf einer Bank mache ich Rast, während einige bekannte Gesichter an mir vorbei zielstrebig Richtung Fähre laufen. Kaum jemand scheint den alten Weg zu nehmen.
So gehe ich also die vor 60er-Jahre-Charme strotzende Promenade entlang, entscheide mich nach langweiligen 2 km, barfuß am Strand weiter zu gehen und erreiche schließlich den Endpunkt der Lagune auf der Suche nach dem Fähranleger. Dieser entpuppt sich als kleiner Holzsteg auf Sand. Dank Ebbe müssen alle Passagiere das letzte Stück über den Sand gehen. Die Fähre ist ein kleines Boot, die Überfahrt kostet 2,– Euro und dauert nur wenige Minuten.
Kunst in Laredo
Mispeln, lecker und erfrischend!
Nackte Füße am Strand von Laredo
Fähranleger! Nur ein Holzsteg am Sandstrand
Ja, wirklich, da geht’s zur Fähre!
Personenfähre
Auf der anderen Seite der Bucht durchquere ich den Ort Santoña. Nach dem Ort führt der Weg entlang einer hohen Gefängnismauer und dann in eine Ferienhaussiedlung mit Surfschulen. Plötzlich biegt der Weg ab und führt als schmaler, sehr steiler Pfad direkt die Steilküste hoch. Schon beim Hochkraxeln muss ich immer wieder nach unten auf den wunderschönen Strand schauen, der mich ein wenig an die Strände der Gardenroute in Südafrika erinnert. Oben angekommen blicke ich mich um und sehe sehr weit entfernt im Dunst die Berge, über die ich gestern gegangen bin. Ein seltsames Gefühl, das alles zu Fuß geschafft zu haben. Eine kleine Ewigkeit ist der letzte Tag gefühlt bereits her.
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Auf der anderen Seite der Kuppe empfängt mich ein starker, kühler Wind. Über mir summt eine Drohne. Jemand macht Fotos vom Strand und den Surfern (die ich später bei Instagram sehe!). Auf der anderen Seite liegt der ebenfalls wunderschöne Strand von Noja vor mir. Mein Etappenziel für heute. Dort habe ich wieder ein Zimmer reserviert.

Doch bevor ich dort ankomme, führt der Weg erst mal hinunter zum Strand und dann durch den Sand. Viele Wohnmobile und Bullis stehen hier, davon die meisten Spanier, die wohl das Wochenende hier verbringen.

Als ich endlich wieder festen Boden unter den Füßen habe, entdecke ich eine Strandbar (ein Rock-Café) aus der Bruce Springsteen tönt. Perfekt für eine kleine Pause! Ich genehmige mir ein Bier und einen Sandwich und bin gerade richtig zufrieden. Die Stimmung ist so toll hier, viele Einheimische, die das Wochenende feiern.
Das Hostel „La Casona“, geführt von einer jungen Familie, hat noch 80er-Jahre-Stil. Das Zimmer zweckmäßig, sauber, mit laut tönender Klimaanlage vor dem Fenster. Inzwischen kann ich ganz gut mit Ohrstöpseln schlafen, macht also nix.
Abendprogramm: Duschen, einkaufen, eine viel zu große Portion Eis und bekannte Pilger treffen, die auch noch in derselben Unterkunft wohnen. Wir beschließen, zusammen im Restaurant unter unserem Hostel zu essen.
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